
LESEPROBE: KRONE
KRONE
“…du bist KönigIn des Alls und ein tiefer innerer Frieden wird einkehren.” – (frei übersetzt nach dem Thomasevangelium)
Eine Krone: rund und golden und glänzend – ganz bezaubernd! „Wozu nur?“, wirst du fragen. Vielleicht bist du auch empört wie mein Freund Carl, der früher einmal Kommunist war: Schließlich hatte er in langen Demonstrationen dafür gekämpft, dass die Herrschaftssymbole jedweder Art aus dem politischen und sozialen Leben verschwinden.
Die Krone ist tatsächlich ein Symbol der Macht, der allerhöchsten Gewalt, der Ehre, der Würde, der Vollkommenheit. Die Strahlenkrone verkörpert die Energie, die im Kopf enthalten ist, der als der Sitz der Lebensseele gilt. In einigen Traditionen ist die Krone mit der Sonne bzw. dem – männlichen – Sonnengott verbunden und die Zacken der Krone symbolisieren die Sonnenstrahlen. Maria trägt hingegen häufig eine Krone aus Sternen, was ihre Verbindung zum – weiblichen – Nachthimmel bekräftigt.
In der asiatischen, speziell der hinduistischen Philosophie fließt die Lebensenergie durch die sieben Chakren im Menschen: zuunterst durch das Wurzel-Chakra im Damm, dann durch das Sakral-Chakra etwa eine Handbreit unter dem Bauchnabel, durch das Solarplexus-Chakra, das Herz-Chakra, das Kehlkopf-Chakra, das Stirn-Chakra und zu guter Letzt durch das Kronen-Chakra, einige Zentimeter über dem Scheitel. Somit stellt das Kronen-Chakra tatsächlich die Krone unseres energetischen Systems dar: Hier treffen sich das Menschliche und das Göttliche, hier fließt das Leben in seine Vollendung. Kurz über unserem Kopf wirbelt es wie ein Trichter voll feiner, klarer Energie. Es strahlt in weißem oder purpurnem oder goldenem Licht und verbindet uns Menschen mit dem Kosmos, dem Göttlichen, der Grenzenlosigkeit des Eins-Seins und Heil-Seins. Es heißt, dass sein Einflussbereich das Mittelhirn sei, speziell die Epiphyse oder Zirbeldrüse.
Ein Kronen-Chakra und damit natürlich auch eine Krone besitzt jeder Mensch. Die Krone stellt ursprünglich somit kein Symbol patriarchaler, hierarchischer Macht dar, sondern ein Geburtsrecht und ein Grundsymbol für die Öffnung des Bewusstseins im Lebensfluss.
Aber genug der Erklärungen, sie waren nur für dich, falls du politisch-philosophische Bedenken hättest, die Krone zu tragen. Ich hoffe, jetzt kannst du dich freier auf die nächste Übung einlassen:
Schließe bitte deine lieben Augen. Beobachte und folge deinem natürlichen Atemrhythmus. Und jetzt stell dir vor, von oben kommt an einem goldenen Sonnenstrahl oder auch an einem silbernen Sternenstrahl deine Krone und setzt sich – Abrakadabra! – direkt auf deinen Scheitel. Spüre körperlich die Krone und nimm wahr, wie dein Körper auf dieses Bild reagiert. Dann öffne bitte wieder die Augen.
Hast du was gemerkt? Hast du wahrgenommen, wie sich deine Wirbelsäule aufrichtet und leicht anfängt zu schwingen, um die Balance für die Krone zu erhalten? Oh je, du bist in dich zusammengesackt, so wie ein Teilnehmer aus meiner Gruppe? Er hat sich eine dieser schweren alten Kaiserkronen aufgesetzt… Also, dann bitte nochmals die Augen schließen, die Kaiserkrone bitte ablegen und dir eine leichte luftige Krone vorstellen, die den Körper ermutigt, ihr sozusagen entgegenzustreben. Du kannst dir natürlich deine eigene Krone gestalten, wie viele meiner TeilnehmerInnen, oder dich an den gängigen Modellen orientieren – entscheide selbst!
Das Bild der Krone verfolgt sowohl ein körperliches und als auch ein seelisches Ziel: Körperlich dient es dazu, dass sich deine liebe Wirbelsäule ganz von alleine aufrichtet, sich leicht streckt und dann auch noch in ein ganz feines Schwingen kommt – das ist wunderbar für den Körper, so kann der Nerven- und Blutfluss optimal durch die Wirbelsäule fließen, jede Imbalance kann sofort ausgeglichen werden. Seelisch bringt dich die Krone in den Zustand oder die Charaktereigenschaft deiner Würde. Die Würde, im lateinischen `Dignitas` genannt, bezeichnet die Eigenschaft, als Mensch eine einzigartige Seinsbestimmung zu haben. Im Deutschen ist das Wort „Würde“ sprachgeschichtlich mit dem Wort „Wert“ verwandt und bezeichnet damit einen Wert im Inneren eines jeden Menschen. Die Würde ist also dein Geburtsrecht, wie es auch unser Grundgesetz ganz am Anfang, Artikel 1, Absatz 1, verheißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Und doch? Schau dich mal um in unserer Gesellschaft – wird sie uns nicht ständig genommen beziehungsweise geben wir sie nicht freiwillig her? Das fängt schon in der Schule an, im Berufsleben – nicht umsonst gibt es dort so viele Burnout-Syndrome – in den Familien, in der Paarbeziehung, im Krankenhaus, ja, manchmal sogar in den Medizin- oder Psychotherapiepraxen. Zielen nicht Manipulation, Entwertung, Bestrafung, Machtansprüche, Hierarchisierung, Entmenschlichung, Technisierung, Überforderung ebenso wie Unterforderung, Missachtung, Übergehen, Destruktivität – um nur einige zu nennen (und manche davon sind oft sehr subtil und gar nicht so schnell zu entlarven) – darauf hin, uns seit Jahrhunderten, nein Jahrtausenden gefügig, abhängig, klein und letztendlich würde- und wertlos zu machen?
Also setze nochmal bitte deine Krone auf, so kommst du auch mehr in Übung, denn das Ziel ist, sie immer, wirklich immer – auch im Bett, auf dem WC, beim Spazierengehen, beim Kochen, beim Sprechen etc. – innerlich aufzubehalten und würdevoll zu tragen.
„Bin ich denn im Märchenland? Wo ist denn überhaupt mein KönigInnenreich?“, wirst du verwundert fragen. Oh, dein Reich ist vorerst ganz körperlich. Dein Reich ist dein Körper und seine EinwohnerInnen sind 60 oder auch 90 Billionen Zellen, die sich entschieden haben, in dir und mit dir und für dich zu arbeiten und eben jene 100.000 biochemischen Prozesse pro Sekunde abzuleisten, von denen du ja schon gehört hast. Hast du dich eigentlich jemals bedankt für diese großartige Leistung? Wie, schon viele Jahre nimmst du das alles ganz selbstverständlich hin? Dein Körper ist ein großes Wunder, so groß, dass noch nicht einmal die Wissenschaft dieses Wunder erklären kann. Dein Körper hat sich gebildet aus einer winzigen Zelle, genauer gesagt, aus der Verschmelzung zweier Zellen, die wir nur unter dem Mikroskop sehen können – und jetzt ist er 40, 50, 60, 70, 80, vielleicht auch 100 oder 200 Kilo schwer. Hoffentlich nicht viel schwerer, denn dann könnte es recht herausfordernd für dein Körpersystem werden. Aus einer einzigen Zelle haben sich alle Organe, unser Herz und Gehirn, ja wir selbst entwickelt. Wir sind die KönigInnen dieses Körperreiches. Und wie regieren wir? Geben wir dem Körper Anweisungen? Machen wir Feedbacksitzungen oder Kabinettsitzungen? Wie passiert das alles? Unser Körper verfügt über eine große Intelligenz und Selbst-Heilungskraft. Und wir sind die KönigInnen dieser Intelligenz. „Wie kann das sein? Wir tun doch gar nichts? Wie entwickelt sich das alles? Ja, die Gene, nach einem genetischen Code entsteht Leben…“, magst du vielleicht bemerken. Ist das alles? Dann könnten wir uns ja gleich bequem zurücklehnen und uns verabschieden von der Selbst-Heilung, dann hätten wir gar nichts zu melden. Aber irgendwas scheinen wir ja doch zu bestimmen. Heute hast du vielleicht einen roten Pulli an – jawohl, den hast du dir ausgesucht und nicht deine Gene. Auch deinen Beruf hast du gewählt, auch deinen Ehemann, deine Ehefrau – na, den oder die vielleicht nicht ganz, vielleicht waren es in diesem Fall doch die Gene oder die Umstände. Der Zellbiologe Bruce Lipton erkannte, dass wir keine störanfälligen biochemischen Maschinen sind, die durch unsere Gene gesteuert werden, sondern machtvolle ErschafferInnen unseres eigenen Lebens und unserer Welt.
Und diese Tatsache beweist uns kaum etwas anderes so eindrücklich wie die kleinste Lebensform auf diesem Planeten: die Zelle. Bruce Lipton spricht scherzhaft von „Mini-Menschen“, denn es gibt keine einzige Funktion in unserem Körper, die nicht schon bereits in der Einzelzelle angelegt ist. Wie der Mensch sind auch Zellen in der Lage, durch die Erfahrungen mit ihrer Umwelt zu lernen, zelluläre Erinnerungen zu speichern und diese an ihre Nachkommen weiterzugeben. Zellen verkörpern auch das vollkommene Ideal des „Teamwork“, da sie meistens in einem Zellverbund existieren. Das Zusammenspiel der Billionen von Zellen ist nur möglich dank einer hochdifferenzierten Arbeitsteilung, welche in die Gene jeder Zelle einprogrammiert ist. Dieser Kooperationsmechanismus ist allgegenwärtig als ein wichtiges Fundament der Evolution.
Wer entscheidet nun, welche Gene abgerufen werden? Wer tut hier eigentlich was? Du erfährst gerade jetzt deinen Körper, da bist du sicher: Er liest diese Zeilen für dich, verdaut nebenher, hört Geräusche im Hintergrund und so weiter: 80 Billionen mal 100.000 Vorgänge pro Sekunde! Und du erahnst vielleicht gerade, dass dein Gehirn in ständigem Kontakt steht zu allen deinen Zellen und genau weiß, was in deinem Körper passiert – und natürlich auch in deiner Psyche. Ja, wo bleibt denn da der König oder die Königin?
PhilosophInnen haben seit Jahrtausenden spekuliert, dass die Königin die Seele und der König der Geist ist. Nur was regieren sie? Ja, du wirst sagen, unsere RegentInnen kennen auch nicht alle EinwohnerInnen Deutschlands, und das sind immerhin nur 80 Millionen. Oder die Queen, nehmen wir eine wirkliche Königin – glaubst du, die kennt sie alle? Die kennt die Anzahl ihrer BürgerInnen auch nur aus der Statistik, die sie aus dem Computer herunterladen lässt. Aber wir wollen dieses Beispiel nicht weiter strapazieren.
Ich hatte ja bereits an anderer Stelle angedeutet, dass der Körper vermutlich ein durch Biophotonen organisiertes Quantensystem ist. Das heißt, er reagiert auf Lichtwellen. Lichtwellen können sich bündeln, reflektieren und verstärken. Lichtwellen erleuchten unsere reale Welt, indem sie sie reflektieren. So haben wir die Gelegenheit, diese wunderschöne Welt in ihrer ganzen Farbenpracht anzuschauen. Es scheint, dass unsere inneren Vorstellungen sozusagen in Wellen auch unseren Körper beeinflussen. Und wer erschafft und gestaltet die Bilder? Na klar, wir selber, das heißt der König oder die Königin in dir! Auch die alten weisen Männer und Frauen wussten um diese Regentschaft:
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden zu deinen Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden zu deinen Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden zu deinem Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird zu deinem Schicksal.
Zusammenfassend können wir dann feststellen: Achte auf deine Gedanken, denn sie werden dein Schicksal.
Nun werden hier an den Anfang die Gedanken gestellt – vielleicht ist das sogar bei so einer vagen Herkunft des Textes ein Übersetzungs- oder auch Verständnisfehler: Auch die Bibel setzt ja an den Anfang den Logos, das Wort. Psychologisch und vermutlich auch zellbiologisch – wir werden das alles noch genauer ergründen – steht am Anfang des Lebens das Bild. Die Bildersprache ist universal und für jede/n verständlich.
Wie kannst du dann dein Reich regieren? Ja, genau, über deine Bilder. Viele sind unbewusst und die Steuerung erfolgt automatisch, aber du kannst auch mit bewusst gewählten und geübten Bildern deinen Körper und damit letztendlich auch dein Leben beeinflussen, gestalten und erschaffen. Davon handelt eigentlich alles in diesem Buch.
Ich hoffe, während des langen Lesens in diesem Kapitel hat es sich deine Krone auf deinem Kopf gemütlich gemacht, sich angepasst und ist dort ab sofort und für immer mit dir verschmolzen: Du bist KönigIn deines Lebens und als solche immer in der Haltung deiner Würde – Herzlichen Glückwunsch!
P.S. Hier noch eine kleine Anekdote, die ich im Newsletter von Chamelie Ardagh „Awakening Women“ gefunden habe: „Ich habe mich immer gefragt: Auf was zum Teufel kannst Du stolz sein, Marilyn Monroe? Und ich antwortete: Auf alles – restlos alles! Und ich schritt geschmeidig los, und drehte meinen Kopf so langsam nach hinten, als wäre ich eine Königin.“ Probiere es doch selbst gleich aus!